Andacht

Liebe Leserinnen und Leser,

vermutlich können die meisten von uns dem folgenden Satz zustimmen: „Es ist wichtig, seinen Prinzipien treu zu bleiben.“ Manchmal kann es aber auch notwendig sein, einzelne Regeln und Prinzipien zu überdenken und sich davon frei zu machen. Das gilt dort, wo zu erkennen ist, dass sie überholt sind. Für strenggläubige Juden gilt zum Beispiel bis heute, dass der Kontakt zu Nichtjuden möglichst auf ein Minimum zu beschränken ist. Nach den Reinheitsgeboten der Tora kann es ansonsten zu einer kultischen Verunreinigung kommen. Die Evangelien berichten, dass Jesus sich mit seinen Anhängern zumeist an diesen Grundsatz gehalten hat. Da er aber das Wohlergehen des Menschen über die Gebote stellte, kam es auch immer wieder zu Grenzüberschreitungen. Das betraf unter anderem den Umgang mit Menschen aus dem Volk der Samariter. So zum Beispiel als er am Brunnen Jakobs von einer samaritischen Frau Wasser erbittet (Joh 4). Als sich nach Pfingsten der christliche Glaube über Jerusalem und Galiläa hinaus ausbreitete, interessierten sich zunehmend auch Nichtjuden dafür. Und es stellte sich die Frage, was höher zu bewerten ist: die neue völkerverbindende Gemeinschaft in Christus oder das Festhalten an den Reinheits- und Speisegeboten der Tora und damit auch an den Abstandsgeboten gegenüber Nichtjuden. Nach der Schilderung der Apostelgeschichte kam Petrus in dieser Situation eine Schlüsselrolle zu. Ihm wurde von Gott offenbart, dass die Reinheitsgebote der Tora für die neue jesuanische Glaubensgemeinschaft nicht mehr in dem Maße gelten wie für das jüdische Volk. Das Prinzip der Unterteilung in reine und unreine Menschen ist in Christus überwunden. Oder, wie es im Monatsspruch für Juni heißt: Mir [Petrus] hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf. (Apg 10,28) Unter anderem aufgrund dieser dem Apostel Petrus geschenkten Offenbarung wohnt dem christlichen Glauben von Beginn an eine die Menschheit verbindende Kraft inne. Das Prinzip, Menschen nach Volkszugehörigkeit, Geschlecht oder anderen äußeren Merkmalen zu unterteilen (und ihnen deshalb bestimmte Rechte vorzuenthalten bzw. Sonderregeln aufzuerlegen) ist aus christlicher Sicht überholt. Ein frohes und gesegnetes Pfingstfest wünscht

Pfarrer Markus Köber, Mulda